SZENE SCHWEINFURT Teil 1

By Georg G / April 30, 2021

SCHWEINFURT – SILENT TOWN. Aber eigentlich war es hier gar nicht so ruhig…

 

The For Presidents in Schweinfurt, 80iger

Schweinfurt, die Stadt mit einem Namen den keiner wollte, war ein Hotspot für “Alternative Musik”, in den 1980igern. Das wirkte nach, bis heute.

Die kleine Industriestadt in Bayern hatte eine lebendige alternative Garagenrock-Szene, die Fans aus der Umgebung und auch aus größeren Städten anzog. “Seattle von Unterfranken” oder das “Detroit von Bayern” sagten manche ironisch. 50.000 Seelen. Ein Vakuum.

Irgendwie stimmte die Chemie. Die jungen Generationen haben viel selbst auf die Beine gestellt, weil es ja nichts gab. Alle liebten Musik, besonders Live-Musik. Und deshalb fingen auch viele an, Bands oder Künstler nach Schweinfurt für Auftritte einzuladen. Die größeren Städte waren weit weg, also holten einige Fans ihre Bands zu sich. Die Vernetzung der Kulturszene begann. Es gab viele Festivals, Konzerte und Sessions und eben auch eigene Bands. Wir hatten das spezielle “Psychedelic-Gen”, unser Genre war “Garage-Pop und Rock”. Und jede Band hatte ihre Einflüsse. Es gibt eine längere Vorgeschichte, die bis in die 70iger reicht…

Screenshot aus Video “Baby it´s time”. Rainer Vogler (Bassist, vorne) und Andreas Nierlich (Gitarrist) von SCC.

Zur Einstimmung: Das Video “Baby it´s time” geht in diese Zeit , für die eine alte Super8-Filmrolle digitalisiert haben. Das Format war schon damals altmodisch, der Song “Video killed the Radio Star” war schon seit 10 Jahren heraus (1979) und MTV ging erstmals 1981 auf Sendung. In den Anfängen spielte MTV auch Indiebands und Rockmusik.

Der melancholische Song mit der einprägsamen ersten Zeile “One man died in Leningrad…” ist auf dem Glitterhouse-Debut-Album enthalten. Das Album ist die erste Veröffentlichung aus unserem Backkatalog und auf Bandcamp im Player und als download.

Steig in die Zeitmaschine: Link unten

Die Goldenen Zitronen (Hamburg)

Vorschau auf die Themen der Serie – Was hat Schweinfurt mit Foo Fighters zu tun?

Die Sache mit den Foo Fighters wird geklärt und auch was HBlockxx aus Münster mit einer goldenen Schallplatte und mit Schweinfurt zu tun haben. Was führte die Goldenen Zitronen nach Schweinfurt ins Kulturhaus? Und warum geriet Screaming Jay Hawkins bei einem Auftritt in Ekstase und lieferte eines der besten Konzerte seiner Europa-Tour ab? Warum kamen die Fantastische Vier ins Kult um ihren Auftritt abzusagen? Und warum schlug eine der besten progressiven Hardcore-Bands der Zeit (The Bomb) in Schweinfurt ihr Quartier auf, und warum sind sie trotz Major-Deal “karrieretechnisch” abgestürzt? Es geht natürlich auch über unsere eigene Band. Und mich. Einer muss ja diese Texte schreiben. Deshalb wird´s auch autobiographisch.

Just a Poke – Cover Sweet Smoke

In Schweinfurt tauchte bei den Konzerten meist ein enthusiastisches Publikum auf und man liebte Sessions.

Häufig gab es Live-Sessions, open-stages und oft mit Improvisationen. Ein “Geist”, der in der Musik der 60iger und 70iger ausgiebig aufgetreten ist. Unter den Musikern in unseren Region war das auch in den 80igern noch weit verbreitet. Mich hat das beeinflusst und wahrscheinlich andere auch, jedenfalls Suzi Cream Cheese machte ständig Sessions, bei den Proben und oft auch auf der Bühne. Oft wurde es psychedelisch.

In der Region war eine alternativ-musikalische Ursuppe gegeben, von der wir profitieren konnten. Und das beginnt mit der US-Post-Hippieband “Sweet Smoke” und dem nahegelegen Dorf “Sulzheim”. Dort wohnte und arbeite SWEET SMOKE in einem Anwesen, das ein irischer Millionär gehörte, der es Musikern zur Verfügung stellte. Eine alte Apotheke mit Garten, in der Scheune wurde geprobt. Die US-Psychedelic-Band wohnte dort bis 1974, anschließend die deutsche Jazz-Rock Band AERA. Die Musikerkommunen strahlten aus, in unsere Stadt. Jedenfalls machte ich bei AERA meine ersten Erfahrungen mit einer “Session” und einfach generell mit dem alternativen Lebenstil. Das war eigentlich nichts anderes als dieser Post-Hippie-Vibe, den man vielleicht von den Filmen über die Festivals von Monetrey und Woodstock kennt. In den Kreisen war man auf der Suche nach neuen alternativen Lebensformen, und deswegen war die Musik eben auch damals alternative Musik, man nannte die Leute aus dieser Szene “Alternative”.

The Bomb (San Francisco) auf der Session-Bühne der BLUESTAGE in Schweinfurt

Der kosmische Peneis -Titelseite #7

Die jungen “alternativen” Generationen der Garagen-Bands fanden in der “roten” Hochburg Schweinfurt gute politische Bedingungen vor. Schweinfurt war eine Arbeiterstadt und man wählte rot, d.h die Stadt war eine der wenigen sozialdemokratischen Enklaven im überwiegend “schwarzen” Bayern der CSU-Epoche des Franz Josef Strauss. Die SPD war damals auch progressiv, deswegen liefen die Uhren etwas anders. Ein Vorteil war eben die Tatsache, daß alternative Musik von der Stadt unterstützt wurde. Damals waren selbstverwaltete Jugendzentren “Mode”, und auch bei uns gab es eines, das SOFA. Die Stadtverwaltung stellte gerne Proberäume zur Verfügung. Mein erstes Zusammentreffen mit Andi und Gerd von Suzi Cream Cheese fand dort am SOFA statt.

Die Schweinfurter Künstler gewannen meist die Demo-Cassetten-Wettbewerbe des Zündfunk (BR) und brachten eines der dienstältesten Fanzines der Republik hervor, den “Der kosmische Penis – Das Organ der freien Jugend” (immernoch 2 Ausgaben pro Jahr, kopiert schwarz/weiss). Dem kosmischen Penis wird auch öfter eine Rolle spielen, da die Chronologie von Suzi Cream Cheese nachvollziehbar wird.

Dr. Helga Türeng, Herausgeber des kosmischen Penis und Ex-The For Presidents

Jimij war etwas älter als ich, und er kannte Platten, die ich noch nicht kannte. Er empfahl das Album “Tago Mago” von CAN. Es wurde das prägende Album für meine musikalische Sozialisation. Die hypnotischen Beats von Jaki Liebezeit und die psychedelischen-experimentellen brachten mich zum Schlagzeug.

Wir verbrachten recht viel Zeit zusammen, mit dem DadA-Club. Wir gingen oft in die “Pampa” (Natur), um im Freien zu Übernachten, wir machten Reisen mit dem 4Wochen Tramperticket der Bahn. Zum englischen Garten nach München, Wien und weiter nach Florenz. Man könnte sagen, das war meine prägende Zeit, also meine kreative Seite wurde ausgiebig getriggert. Diese ersten Jahre mit dem DadA Club ging zu Ende, weil ich für ein Jahr als Austauschschüler nach Kalifornien ging. Nur für ein Jahr. Kurz nach meiner Rückkehr gründete sich Suzi Cream Cheese…

Fortsetzung folgt

Georg von Suzi

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Link auf das Video „Baby it´s time“.

 

 

 

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Link auf das Album Baby it´s time bei Bandcamp (download)

 

 

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